Hold the Line
Geflüchtete an der südlichen Schengengrenze
Marokko, Spanien 2005
"Wenn sie dich kriegen, deportieren sie dich. 60-80 Leute pro Lastwagen. Die Plane ist dicht, du siehst nicht, wohin sie dich bringen. Irgendwo in die algerische Wüste, ohne Wasser und Verpflegung. Schwangere, Verletzte, Kinder. Völlig egal. Dann musst du warten, bis es Nacht ist. Wenn du Glück hast, siehst du Lichter, in diese Richtung läufst du dann. Wenn du aber verletzt bist, oder dich verläufst, ist es aus. Viele meiner Kameraden sind die Taschen voll mit Geld in der Wüste verdurstet."
Derek, Nigeria, in Tanger
Seit Jahren versucht die Europäische Union, ihre Außengrenzen für Flüchtlinge zu verschließen. Marokko erhielt bislang über 40 Millionen Euro, technisches Gerät und Know-How von der EU, um Flüchtlingen die Weiterflucht in die EU unmöglich zu machen. Ein meterhoher Stacheldrahtzaun trennt inzwischen das marokkanische Territorium von den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla.
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Die Grenze wird vom marokkanischen Militär und der spanischen Guardia Civil gemeinsam "verteidigt". Wer versucht, den Zaun zu überqueren, riskiert, durch Gummigeschosse oder Schrotflinten schwer verletzt und beim Sturz in die Drahtseile zwischen den Zäunen getötet zu werden. Die örtliche Menschenrechtsorganisation PRODEIN schätzt die Zahl der "Zauntoten" in Melilla auf 30 bis 50 pro Jahr.
Auch in ihren provisorischen Behausungen in den küstennahen Wäldern Marokkos müssen Flüchtlinge regelmäßig mit gewalttätigen Razzien und Übergriffen durch die Polizei rechnen. Im Schnitt werden wöchentlich 500 Flüchtlinge in geschlossenen Transporten an die marokkanische Südgrenze deportiert und ohne Verpflegung und Wasser in der Wüste ausgesetzt.
In Folge der europäischen Grenzsicherungsmaßnahmen ist es für dunkelhäutige Menschen im marokkanischen Tanger nicht mehr einfach, sich durch die Altstadt zu bewegen. Viele wagen sich nur nachts in die Stadt. Tagsüber findet das Leben über den Dächern in einer Parallel-Realität statt.