6m2 Rechtsstaat
Asylrealität in Europa
Spanien, Frankreich, Deutschland 2006
"Essen-Schlafen-Essen-Schlafen. Tagein - Tagaus. Dabei kommt doch jeder Mensch mit einer Aufgabe auf die Welt. Warum darf ich nicht arbeiten? Ich mache jede Arbeit, und ich würde doch auch Steuern bezahlen! Stattdessen hänge ich hier im Wald fest, kann nichts tun. Wir sind hier völlig isoliert. Das nächste Dorf ist vier Kilometer Fußmarsch entfernt. Ich mache mich strafbar, sobald ich meinen Landkreis verlasse. Ich fühle mich, als wäre ich im Strafvollzug, dabei habe ich doch nur Asyl gesucht."
Abdoulaye, Burkina Faso, in der Asylbewerberunterkunft Waldsieversdorf
Jeder Mensch, der in Europa Asyl sucht, hat einen Rechtsanspruch auf ein faires Verfahren. In der Praxis versuchen die EU-Staaten, den Aufenthalt von Asylsuchenden möglichst abschreckend zu gestalten und ihre Integration von vornherein zu vermeiden. Ein zentraler Baustein dieser Politik sind die großen Flüchtlingslager, die trotz rückläufiger Asylsuchendenzahl überall in Europa und bis über die europäischen Grenzen hinaus vermehrt entstehen.
Flüchtlingslager liegen oft fernab der Innenstädte, an Orten ohne Infrastruktur. In Brandenburg, wo sich tief im Wald die Flüchtlingsunterkunft Waldsieversdorf befindet, beträgt der Anspruch eines Asylsuchenden auf Wohnraum sechs Quadratmeter.
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Zur Enge und fehlenden Intimsphäre im Inneren eines Lagers kommen diskriminierende Rahmenbedingungen: fehlende Arbeitserlaubnis, Lebensmittelversorgung über Gutscheine oder Pakete, eine eingeschränkte medizinische Versorgung und die so genannte "Residenzpflicht", die Asylsuchenden untersagt, den zugewiesenen Aufenthaltsort ohne behördliche Genehmigung zu verlassen.
"Freiluftgefängnis" nennt Noel aus der Cote d'Ivoire seinen Zufluchtsort. Ein beträchtlicher Teil der Flüchtlinge entflieht der Isolation im Lager und zieht ein Leben in der Illegalität vor. Spätestens dann sind die Betroffenen einem hohen Risiko von Inhaftierung als Abschiebungshäftling ausgesetzt. Am Ende eines entwürdigenden Aufenthalts als unerwünschter Flüchtling in Europa steht für nicht wenige die behördlich erzwungene "freiwillige Ausreise" oder die Abschiebung.